Motorradsicherheitstraining - Muss das sein?

Ja. Ich habe es dreimal beim ADAC gemacht. Zweimal habe ich ein Standard- (mit der XV) und einmal das Fortgeschrittenen-Training mit der Sprint besucht.

Einleitung

Der Auslöser für das erste Training war ein "unverschuldeter" Unfall bei Dunkelheit und nasser Fahrbahn, der für mich zwar glimpflich ausging, mir aber meine Ausweich-Brems-Defizite beim Motorradfahren aufzeigten. Weil ich das nicht so lassen wollte, hab ich mich zu einem Sicherheitstraining angemeldet. Da ich dieses wirklich als große Hilfe zur Erhöhung der eigenen Sicherheit auf dem Motorrad gesehen habe, vor allem, wenn man wie ich im Winter eine motorradfreie Zeit einbaut, habe ich es ein Jahr später zur Vertiefung nochmals besucht. Als 1997 der große Tourer vor der Tür stand, hielt ich es ebenfalls für angeraten nochmals ein Training, diesmal aber ein Fortgeschrittenes, zu absolvieren.

Beweisaufnahme

Es gibt natürlich etliche Anbieter solcher SHTs. Der DVR stellt eine Liste von Motorrad SHT Veranstaltern, die wahrscheinlich auch nicht komplett ist, im I-Net zu Verfügung. Aber es ist wohl bei allen üblich, daß ein theoretischer Teil mit praktischen Übungen kombiniert wird.

Die Übungen lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen:

Was für Übungen genau durchgeführt werden, lässt sich zumeist vorab schon aus den Werbebroschüren herauslesen. Mein Augenmerk ist daher nicht die Beschreibung der Fahrmanöver bei einem SHT an sich, sondern was eigentlich alles zusammen kommen muss, um die eigene Sicherheit beim Motorradfahren zu erhöhen.

Plädoyer

Aus meiner Erfahrung steht und fällt so ein Training mit dem Trainer. Die Übungen allein sind es nicht; wichtiger ist das Feedback des Trainers. Nur dieser bringt einen wirklich weiter. Wer schon einiges an Fahrpraxis hat, hat für sich automatisierte Routinen beim Motorradfahren entwickelt. Diese sind aber für Gefahrensituationen oft nicht passend. Hier bracht man also ein objektives, kundiges Auge, das Fehlverhalten entdeckt, kommuniziert und Verbesserungsvorschläge anbietet. Die Übungen sind also zum einen dazu da, dem Motorradfahrer seine und/oder die physikalischen Grenzen des Krads aufzuzeigen. Zum anderen sollen die Trainer über die Übungen ein Grundrepertoire an "guten" Reaktionsvarianten anbieten und deren Erlernung anzustarten. Um diese, in den Übungen angewendeten Aktionen in wirklichen Gefahrensituationen abrufen zu können, müssen sie automatisch ablaufen. Man darf nicht erwarten, solche Automatismen mal eben schnell an einem Tag zu erlernen. Dies geht nur durch üben, üben und nochmals üben. Ein guter Trainer muss das alles vermitteln und dabei noch für jeden Teilnehmer individuell die Balance aus Lob und Tadel (Aufbau der Lernmotivation) finden. Wie man falsche Automatismen durch richtige ersetzt kann man auch im Buch "Die obere Hälfte des Motorrads" sehr gut nachlesen.

Die erste Kategorie der Übungen kann man außerhalb des Trainings gefahrlos vertiefen und bietet sich quasi als Aufwärmtraining nach dem Winterschlaf an. Die zweite Kategorie ist nicht wirklich gefahrlos im öffentlichen Straßenverkehr (auch nicht auf dem berühmten Supermarktparkplatz am Sonntag morgen) durchzuführen. Das ist einer der Gründe, warum ich einen nochmaligen Besuch eines SHT für sinnvoll halte. Trockenübungen (Aktionen für eine angedachte Gefahrensituation im Geiste durchgehen und motorisch umsetzen) helfen zwar auch weiter, aber beseitigen nicht die Gefahr, die im SHT erklärten Aktionen nicht ganz richtig umgesetzt zu haben. Jedes SHT sollte einem also zeigen können, wo man mit seinen Automatismen steht.

Der Ansatz, dass man pro realer Verkehrssituation nur einen Versuch hat diese zu meistern, ist nicht der schlechteste. Denn wenn es auf der Straße einmal schief geht, sieht es besonders für körperliche Unversertheit des Motorradfahrers nicht allzu gut aus. Mit diesem Ansatz vor Augen, wird die Einschätzung der eigenen Fahrkunst der meisten Teilnehmer eines SHT erst mal der Realität angepasst, da es so gut wie kein Motorradfahrer schafft, beim ersten Mal die Übungen fehlerfrei zu absolvieren. Mit nicht fehlerfrei ist nicht gemeint, dass gestürzt wird, sondern, dass man beim Notbremsmanöver mehr Bremsweg benötigt, als die Physik erlaubt, oder das man beim Brems-Ausweich-Manöver den abgesteckten Parcours verläst. So zurechtgestutzt sieht man nun auch viel besser ein, dass Abstand halten wirklich Sinn macht, und sich im öffentlichen Straßenverkehr grundsätzlich ein Sicherheitspolster zu den Grenzen des eigenen Fahrkönnens zu lassen, auf Dauer überlebenswichtig ist. Wie nachhaltig die Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen in der Praxis umgesetzt werden, liegt dann aber wieder bei jedem selbst.

Urteil

Vom Teilnehmer wird also viel mehr verlangt, als "nur" auf den Bock zu springen und um ein paar Hütchen zu fahren. Er muss sich selber dazu zwingen sein Verhalten auf dem Krad objektiv mit dem "Referenzmodell" zu vergleichen. Bei Bedarf, und dieser ist immer vorhanden, muss er auch noch Willens sein, sein Verhalten aktiv anzupassen. Wer nicht bereit ist, dass zu tun, der kann sich ein SHT schenken. Alle anderen sollten sich eines schenken lassen.