Sachgeschichte: Motorradtourenfahren in den Alpen

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Ingo und Volker auf 2328m

Das sind Ingo und Volker. Sie sind Motorradtourenfahrer. Das ist kein Beruf und auch keine Sportart, sondern ein Hobby, bei dem sie sinnlos mit dem Motorrad sehr große Kreise fahren und Spaß dabei haben. Da das aber recht viele andere Leute auch machen, ist das nix böses. Klingt komisch, ist aber so.

Richtige Motorradtourenfahrer planen ihre großen Kreise sorgfältig vor der Fahrt zu Hause am PC, um während der Tour möglichst viel Spaß zu haben.

Auch Ingo und Volker sind bei der Streckenwahl recht anspruchsvoll. Straßen, auf denen man schnell voran kommt und es kaum Kurven gibt, mögen sie nicht besonders. Daher wollen sie auf ihrer Tour fast nur Landstraßen in den Alpen benutzen. Das macht die Wegfindung während der Fahrt aber gar nicht so einfach. Deshalb hat sich der Volker die Route über seine Tourenplaner Software erstellt und die Abbiegehinweise für den Tankrucksack ausgedruckt. Der Volker ist ein sehr erfahrener Motorradtourenfahrer und hat sich aus diesem Grund für jede Tagesetappe zwei verschiedene Strecken überlegt. Auch eine etwas kürzere, falls das Wetter mal nicht so gut ist, oder andere Gründe dazu führen, daß die Länge der Tagesetappe auf ein kompaktes Maß herabgesetzt werden muss. Andere Gründe haben weder etwas mit der politischen Lage in Österreich oder der nicht existierenden technischen Gebrechlichkeit einer Triumph Sprint RS zu tun. Sie gehen nur auf Bedenken von potentiellen Tour-Mitfahrern zurück, die die geplanten Tagesetappen für zu lang halten und nach der Planungskorrektur doch nicht mitfahren. Macht aber nix. Der Ingo ist ja mitgefahren und hat es sich bei der Tourvorbereitung bequem gemacht und nur die längeren Tagesetappen der Tour vom Volker in sein GPS-Navigationsgerät geladen. Da die Wegfindung mit dem Navigationssystem sehr gut funktioniert hat, haben sich die Beiden auf der Tour auch nicht verfahren und so immer die Straßen gefunden, die sie fahren wollten. Nur wenn aus technischen Gründen, wie schon bei der Schwarzwaldtour das Navigationsgerät mal wieder nicht funktioniert hat, mußte der Volker mit seiner Abbiegetabelle das Navigieren übernehmen. Das hat manchmal nicht so gut funktioniert, da an den Abzweigen nicht immer die Ortschaften ausgeschildert sind, die auf den Abbiegehinweisen vermerkt sind. Bei schneller Folge der Abbiegungen kommt der Motorradfahrer mit dem Ablesen der Info auf der Tabelle und dem gleichzeitigen Weiterfahren nicht mehr nach. Das nennt man dann Überforderung und führt zu Unfällen oder falschem Abbiegen. Macht aber nix, da der Volker zwischen Weiler und Bregenz an der deutsch-österreichischen Grenze eine schöne Strecke zum Verfahren gefunden hat. Nur der geplante Abstecher auf die Norberthöhe, kurz vor dem Rechenpass ist den beiden wegen dem maroden GPS-Navigationssystem durch die Lappen gegangen.

Was aber erleben Motorradtourenfahrer so auf ihren Motorradtouren? Es müssen schon tolle Sachen sein, weil die meisten Motorradtourenfahrer, so auch Volker und Ingo, immer wieder eine Tour machen. Auf ihrem Weg zur Silvretta Hochalpenstraße erlebten sie zuerst mal nach etwa 150 Km fahrt (kurz hinter Biberach) einen ordentlichen Regenguss, der bis zum Faschinajoch anhielt. So ein toller Regen freut den Motorradtourenfahrer, da er bei Nässe seine über alles erhabene Fahrroutine ausspielen und seine super tolle Allwetterausrüstung benutzen kann. Klingt komisch, ist auch nicht so. Der Ingo zum Beispiel ist dann 10 Km vor dem Tagesetappenziel in Vadans auf abtrocknender Straße auf einer Eisenbahnschiene beim Abbiegen mit dem Hinterrad ausgerutscht. Macht aber nix, so ein Tourenfahrer ist hart im nehmen und ignoriert die blauen Flecken um sich erst mal um seine Maschine zu kümmern. Da der Volker ein netter Kerl ist, hat er auch gleich angehalten und dem Ingo geholfen die Teile der XJ wieder einzusammeln. Auch gut, daß sich der Volker mit Kaltverformungen aller Art auskennt und mit zwei geliehenen Zangen vom netten Tankwart von gegenüber und Ingos Füßen den Fußbremshebel der Roten Diversion wieder in eine vernünftige Position gebracht hat. Auf Motorräder eintreten ist ja eigentlich verboten und gar nicht nett, hat den Ingo aber nicht weiter gestört. Klingt komisch, ist aber so. Als Tourenfuchs hatte der Volker natürlich auch Spanngurte dabei, um den abgefallenen Koffer trotz abgebrochener Halterung wieder an der Diversion zu fixieren. Ductape für den verdrehten und losen Spiegel gab es auch noch. Ductape ist keine Audiokasette mit Gänsegeschnatter drauf, sondern ein Allzweckklebeband. Nach gut einer Stunde waren die beiden wieder unterwegs und gleich darauf in Tschagguns bei der erfolgreichen Übernachtungsquartiersuche.

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10,5 € Maut für die Silvretta ist ein Wort, aber ...

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Endlich wieder weg vom Hauptverkehrsstrom

Am zweiten Tourtag ging es aber dann so richtig los mit den tollen Erlebnissen für die beiden Tourer. Bei echtem Kaiserwetter bezahlten Volker und Ingo die Maut für die tournamensgebende Passstraße, überholten Autos, hielten von Zeit zu Zeit an um Fotos zu machen und sich die Gegend anzusehen, fuhren weiter um dieselben Autos wie vorher zu überholen um dann wieder anzuhalten ... Dieses typische Verhalten von Motorradtourenfahrern nennt man touren und ist eine super Sache. Um aber richtig etwas zu erleben hat der Ingo am Reschenpass, da es dort so günstig war, Diesel getankt. Das ist kein Getränk und auch keine Jeanshose, sondern eine Treibstoffart. Nur funktioniert Ingos Yamaha, wie eigentlich alle Motorräder auf dieser Welt, nicht mit diesem Treibstoff. Macht aber nix. Der Ingo hat bei dem netten Tankwart einfach auch noch 3 Reservekanister gekauft, den Diesel wieder aus seinem Motorrad abgesaugt und gleich noch mal Superbenzin hinterher getankt. Nach der Aktion hat sich der Ingo gefreut, da er den tollen Dieselgeschmack im Mund hatte. Der Tankwart hat sich gefreut, da der Ingo ihm die 3 Kanister mit Diesel auch noch geschenkt hat. Und der Volker hat sich gefreut, da er auf der weiteren Fahrt an diesem Tag Ingos Motorrad immer gut an der Rauchfahne, die aus der Auspuffanlage der XJ kam, erkennen konnte. Klingt witzig, war auch so.

Auf der weiteren Tagesetappe gab es zwar noch andere tolle Dinge, wie zähfliesender Verkehr das Etschtal entlang bis Meran, aber so viel Spaß wie das Tanken am Reschenpass hat es Volker und Ingo nicht gemacht. Über das Gampenjoch am Lago di Molveno vorbei und dann das Valle Rendena hinauf ging es noch bis nach Madonna di Campiglio. Nach 370 Km an diesem Tourtag wurde selbiger dann bei einer Pizza mit Rotwein beendet.

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Hier sind wir richtig, so zwischen den Pässen

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In CH ist es auch recht schön

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Puh, Tagespass Nr. 9

Am dritten Tourtag standen für den Volker und den Ingo 9 Pässe auf dem Plan. Pässe sind Straßen, die zwischen den Bergen hindurch führen. Man muss also immer erst hinauf, um dann ab dem Pass (der höchsten Stelle) wieder hinab zu kommen. Es gibt in den Alpen kleine Pässe, die nicht so hoch sind und große Pässe, die über 2000 Meter hoch sind. Früher haben die Menschen immer versucht, möglichst wenig bergan gehen oder fahren zu müssen um von A über einen Pass nach B zu kommen, weil das ja recht mühselig ist. Heutzutage sind die Motorradtourenfahrer in Bergregionen bestrebt, möglichst hoch hinaus zu kommen. Das liegt daran, daß das Motorrad nun die Arbeit macht und sich der Fahrer oben auf dem Pass dann an der geleisteten Arbeit erfreuen kann. Klingt komisch, ist aber so.

Die Tagesetappe ging für den Volker und den Ingo also wieder bei bestem Wetter über knapp 300 Km und 6 große Pässe von Madonna di Campiglio nach Chiavenna. Die Passfahrten waren für die Beiden schon so tolle Erfahrung, das sich weder Ingo noch Volker für richtig große Zusatzerlebnisse begeistern konnten. Gemeinsam genossen sie zusätzlich nur noch ein Kaffeetrinken in St. Moriz für richtig viel Geld. Machte aber nix, da die Schweizer Gastronomie durch die Bank Kreditkarten akzeptiert.

Die geringe Anzahl von Straßen in den Bergen erleichterte dem Volker die Navigation auch dermaßen, daß der immer wiederkehrende Ausfall des GPS-Systems vom Ingo keine Probleme verursachte.

Der vierte Tourtag bescherte denn Motorradfahrern schlechtes Wetter mit viel Regen. Motorradregenfahrten sind, wie oben schon erklärt, eine tolle Sache. Besonders, wenn das eine Motorrad mit wasserscheuen Macadems bereift ist und sich beim Anderen eine Profilneurose abzeichnet. Die Tourer kamen nach der Überquerung des Malojapasses daher überein, den Autos nur so weit wie nötig weiter im Weg rumzufahren und änderten Ihren Tourplan ab. Der neue Plan war genauso einfach wie genial und lautete: Rücksturz nach Hause. Der Ingo hat sich gefreut, da er nun die Routingfähigkeiten seines GPS-Navigationssystems demonstrieren konnte. Der Volker hat sich auch gefreut, da er seine völlig aufgeweichten Abbiegetabellen nun nicht mehr brauchte.

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Vorzeitiger Abbruch der Tour, da Pässefahren bei Regen keinen Spaß macht.

Routing ist kein Schimpfwort und hat auch nichts mit SM-Praktiken zu tun. Es beschreibt die Fähigkeit eines Navigationssystems, die Wegstrecke anzugeben die von A nach B führt, wenn man nur A und B eingibt. Das tolle Navigationsgerät hat den Ingo mit dem Volker im Schlepptau weiter über den Flüelapass, Klosters, Sargans, Lichtenstein, Feldkirch und Bregenz auf die deutsche Autobahn geführt. Den Volker hat das Routing so begeistert, daß er auch so ein ähnliches Gerät haben will. Etwas Ähnliches ist keine Sache, die so in etwa gleich aussieht, sondern einfach nur ein Navigationssystem, das nicht immer ausfällt. Klingt komisch, macht aber Sinn.

Obwohl Motorradtourenfahrer Autobahnen zum Touren, wie gesagt, nicht mögen, fuhren die Schlechtwettergeplagten, schöne Landstraßen rechts und links liegen lassend, bei abtrocknender Straße stur geradewegs nach Hause. Klingt langweilig, war auch so.

Und nächste Woche lernen wir, wie man Motorradtouren trotz schlechtem Wetter mit Stil wie geplant zu Ende fährt, allerdings von zwei anderen tollen Motorradtourenfahrern.